Wie ich zu meinem R16 kam.
Am 19.09.1992 stand ich in einer Bar in Berlin-Schöneberg, um mit mir auf meinen Geburtstag anzustoßen. Als hätten sie’s geahnt, standen plötzlich drei fremde Männer um mich herum, prosteten mir zu, gratulierten und schenkten mir unsinnige Sachen, die sie zufällig aus der Hosentasche zogen: einen selbst geschmiedeten (potthässlichen) 80er-Jahre-Messingring – so was hat man doch als Mann gerne mal dabei, wenn man in eine Bar geht (!); und einen tollen Haifisch-Schlüssel-anhänger, mit dem man Bierflaschen aufmachen kann – schon eher als Ausgeh-Utensil zu gebrauchen; und eine Flasche Bier hab’ ich auch noch bekommen…
Als wir dann ganz munter die Bar verließen, um die nächste Kneipe (ca. 200 m weiter) aufzusuchen, stand vor der Tür ein – zumindest in diesem Zustand – wunderschöner, metallicblauer R16. Ich fing schon an zu schwärmen („meine Lehrerin hatte auch mal so einen“ und „den hätt’ ich auch gern“) als meine Begleiter in den Wagen einstiegen – und ich natürlich mit. Von da an wollte ich lieber im Auto rumfahren als in Kneipen rumstehen. Wir kehrten noch zwei– bis dreimal ein und morgens gegen acht wurde ich von dem schicken R16 (bzw. dessen Besitzer Peter) zu Hause abgesetzt.
Daraus wurde eine handfeste Bekanntschaft. Nun hatte Peter allerdings immer sehr wenig Geld. Mangels Arbeit wurde es auch immer weniger. Bis er im Frühjahr `93 den R16 verkaufen wollte. Das kam mir sehr gelegen, denn seit ich ein Jahr vorher meinen Strichachter verkauft hatte, war ich (zum ersten Mal seit 1979!) autolos – und nicht besonders froh darüber. Also nahm ich Peter den Wagen für 900 Mark ab, steckte noch mal was für den kaputten Querlenker rein, brachte ihn durch den TÜV und bretterte über vier Jahre lang ständig zwischen Hamburg (meiner vorherigen Heimat) und Berlin hin und her. Bis der R 16 dann kurz vor Glinde an einer kaputten Zylinderkopfdichtung elendig verreckte. Ein Freund schleppte mich mit dem Wagen kurzerhand zum Autofriedhof und seitdem (1997) ward dieser R16 nicht mehr gesehen.
Mein Gewissen hat das natürlich niemals verkraftet. Als dann ca. zwei Jahre später (nach einem Intermezzo mit Fiat Panda und Fort Escort Klempner) ein Bekannter Obdach für einen herrenlosen R16 suchte, nutzte ich die Chance und nahm ihn auf. Daran wollte ich den Tod des ersten wiedergutmachen und schraubte, ließ dran schrauben, brachte ihn durch den TÜV usw. Er sah zwar nicht so gut aus mit dem Moos auf dem Dach und etwas Schimmel auf den Sitzen, aber die Automatic-Schaltung machte was her!
Mittlerweile war schon das neue Jahrtausend angebrochen und das Internet war für mich schon lange kein Geheimnis mehr. Ich fand darin einen R16-Club, der Ersatzteile und Mitglieder hatte! Das Mitglied Olli Haarbusch konnte sogar schrauben und erklärte sich bereit, meinen R16 für den nächsten TÜV 2001 fertig zu machen. Als ich Olli’s Hof in Kassel enterte, sah ich den silbernen TL mit Frontschaden traurig dastehen. Schnell entschlossen tauschte ich den alten gegen den silbernen, legte noch ein paar Tausender drauf und hatte nach zweimonatiger Reparatur im März 2001 meinen dritten R16, der mir hoffentlich noch lange erhalten bleibt. Im Mai wird er 30!
Renate Freiling, Juli 2005