Motor Klassik-Chefredakteur Malte Jürgens überraschte unseren Redakteur Jürgen Elsner schon während der Präsentation von Professor Tumminellis Buch „Car Design“ (siehe Ausgabe 3/2004) im Juni letzten Jahres mit der Andeutung, dass die Motor Klassik dieses Jahr „auf jeden Fall etwas zum Renault 16 bringen wird.“ Da war die Freude im Club 16 natürlich groß, woraufhin Dietrich Ende letzten Jahres schon mal prophylaktisch Kontakt zu Redakteur Alf Cremers aufnahm, der den Motor Klassik-Lesern als Liebhaber bürgerlicher Brot– und Butter-Limousinen bestens bekannt ist.
Auf der diesjährigen Techno Classica schließlich fand ein erstes Treffen am Renault-Stand statt. Herrn Cremers gefielen die beiden Exponate, Jürgens 65er Urtyp und Dietrichs 68er TS, so gut, dass er diese beiden Fahrzeuge als Fotomodelle für den Artikel haben wollte. Der Renault 16 war ja schon einmal Gegenstand einer Kaufberatung (Ausgabe 1/1999), allerdings handelte es sich bei dem Foto-Exemplar um einen französischen TX, dazu noch in der Rubrik „Youngtimer“.
Am 13. Juli trafen sich dann Alf Cremers und sein Fotograf mit Jürgen und Dietrich in Köln. Dietrich war schon etwas spät dran und gab seinem TS auf der langen Fahrt von Paderborn nach Köln richtig die Sporen („160 bis 170 müssen schon drin sein!“). Etwas verschwitzt kam er an Jürgens Wohnort Köln-Langel an, einem idyllischen Dorf direkt am Rhein. Da sich auch die Motor Klassik-Crew etwas verspätet hatte, blieb noch genug Zeit, die Spuren seines Parforceritts mit Wasser und Schwamm zu beseitigen und erst mal einen Kaffee zu genießen.
Zur Wahl der Location hatte sich die Motor Klassik-Redaktion bis dahin ausgeschwiegen, daher dachte Jürgen, dass man die Fotos vielleicht direkt vor Ort schießen könnte, da der kleine Stadtteil Langel einige zauberhafte Plätze bietet, u .a. die Rheinfähre von Langel nach Leverkusen. Und das Wetter spielte auch mit: Der stahlblaue Himmel zeigte sich nahezu wolkenlos, und die Temperatur kletterte unaufhaltsam Richtung 30 °C.
Gegen halb zwölf kamen dann auch Alf Cremers und Rossen Gargolov an. Beim Kaffee erklärte Herr Cremers, dass man eigentlich nicht vorhatte, den Renault 16 in idyllischem Landambiente abzulichten, sondern es schwebte ihm eher ein altes Industriegebiet vor. Dennoch wurden die ersten Aufnahmen auf der Langeler Fähre und am Kai gemacht. Der Fährmann staunte nicht schlecht, als sich zwei blitzsaubere Oldies, ein Fotograf mitsamt seinem Equipment und Herr Cremers als Halter für den Reflektionsschirm auf seiner Fähre breit machten. Zum Glück herrschte zu dieser Tageszeit kaum Betrieb, so dass hauptsächlich Radfahrer die Szenerie bestaunten. Obwohl Dietrich in seiner bekannt zurückhaltenden Art zuerst gar nicht auf den Fotos erscheinen wollte, sah Alf Cremers dies anders. Natürlich sollen die Fahrzeuge mit ihren stolzen Besitzer fotografiert werden! Sehr unangenehm war nur, dass Herr Gargolov unbedingt darauf bestand, dass die Fenster der Fahrzeuge auch während der Fahrt geschlossen bleiben (wegen der Optik), was infolge der hochsommerlichen Temperaturen bei Jürgen und Dietrich bald für ein saunamäßiges Aussehen sorgte.
Nach dem Abschluss der Aufnahmen am Rheinufer musste nun überlegt werden, wo man in Köln ein morbides industrielles Ambiente findet. Das ist allerdings sehr schwierig, denn die meisten alten Industrieanlangen sind mittlerweile abgerissen (in der Tat findet sich in Köln bis auf Ford und Felten & Guillaume keine alte Großindustrie mehr!). Schließlich fielen Jürgen die alten Clouth-Werke ein, die in ihrer Blütezeit Gummiartikel für die Industrie, z. B. Förderbänder, hergestellt hatten, die aber mittlerweile pleite sind. Auf dem Gelände finden sich aber noch eine Reihe kleinerer Betriebe.
In Nippes angekommen stand man aber vor verschlossenen Toren. Der nette Pförtner konnte uns trotz charmantem Einsatz von Alf Cremers nicht auf das Gelände lassen, da der Verantwortliche momentan nicht erreichbar war. Jetzt war guter Rat teuer. Dann gab uns der Pförtner den heißen Tipp, es doch mal in Deutz zu versuchen. Die alten Deutz-Werke werden seit ein paar Jahren zwar ebenfalls nach und nach abgerissen, vielleicht finden sich auf dem weiten Gelände noch ein paar Gebäude.
Dieser Tipp war Gold wert! Wir fuhren auf dem schnellsten Wege nach Deutz, und Dietrich gestattete Herrn Cremers, seinen dunkelbraunen TS zu pilotieren, was diesen mit sichtlicher Freude erfüllte. Besonders die Lenkradschaltung, das flauschige Fahrwerk und der einzigartige, beruhigende Klang des Motors gefielen dem Limousinen-Liebhaber sehr.
In Deutz fand sich wirklich ein altes Industriegebiet wie aus dem Bilderbuch: Nachdem wir ohne von einem Pförtner behelligt zu werden auf das alte Deutz-Gelände abgebogen waren, waren Alf Cremers und Rossen Gargolov geradezu elektrisiert: Zwar waren viele Hallen aus der Gründerzeit in der Tat dem Bagger zum Opfer gefallen, an der Bahnlinie zum Hafen standen jedoch noch einige Backstein-Gebäude mit einem unvergleichlichen Flair. Alte Schilder und Warnhinweise deuten auf die einst geschäftige Betriebsamkeit hin, vergilbte Waschbecken hängen traurig an den bröseligen Wänden und der Frachtaufzug fährt schon lange nicht mehr.
Und das Beste war, dass man alle Gebäude betreten konnte, was jedoch aufgrund einiger Stolperfallen nicht ganz ungefährlich war. Dennoch – in einem Land, wo sonst alles verboten ist, repräsentiert dieses Gelände ein kleines bisschen Anarchie und ein Dorado für alle Industriebegeisterte!
Während sich Dietrich, Jürgen und Herr Cremers zunehmend in Benzingespräche „verstrickten“, drängte der Fotograf darauf, nun endlich loszulegen: Ein altes, rostiges Hallentor leistete den beherzten Griffen der Motor-Klassik-Crew keinen nennenswerten Widerstand. Die beiden R16 wurden in die alte Halle hineingefahren, wo die ersten Stand– und Detailaufnahmen geschossen werden sollten. Angesichts der Vergänglichkeit des einzigartigen Ambientes (es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Hallen ebenfalls der Abrissbirne zum Opfer fallen) überkam alle Anwesenden eine gewisse Sentimentalität. Ihrem Drang, diese Hallen mal etwas genauer zu inspizieren, gaben Jürgen und Alf Cremers aber nicht nach, denn das ganze Ensemble zeigt sich wie gesagt ziemlich verrottet und baufällig.
Ganz im Gegensatz zu unseren beiden Fotomodellen, von deren Zustand Herr Cremers und Herr Gargolov ziemlich begeistert waren. Na ja, bis auf die Anhängerkupplung an Dietrichs Fahrzeug und die Aufkleber…
Obwohl der Renault 16 Alf Cremers generell sehr gut gefällt, würde er sich als gusseiserner Audi-, Ford– und Mercedes-Fan keinen zulegen. Bei insgesamt sieben Fahrzeugen hätte er wahrscheinlich auch gar keinen Platz mehr.
Aber immerhin ist er im Besitz eines ledergebundenen Bildbandes über den Renault 16. Viele Motive sind dem wunderschönen R16-Kalender der deutschen Renault AG entnommen, der jedoch ebenfalls nur in einer winzigen Auflage erschienen war. Da gingen Dietrich und Jürgen die Augen über…
A propos Motive — nachdem die Detailaufnahmen im Kasten waren, kam man nun zum schwierigen Teil: Die Fahraufnahmen. Dietrich und Jürgen mussten zunächst in verschiedenen Richtungen in sehr engem Abstand — idealerweise 20-30 cm — nebeneinander fahren. Das fühlt sich aber während der Fahrt wie zwei bis drei Zentimeter an! Die Fenster mussten wie gehabt geschlossen bleiben. 15 Uhr — Die Sonne knallt mittlerweile unbarmherzig auf den schattenfreien Platz. Die Frisur sitzt schon lange nicht mehr und die Taschentücher stapeln sich im Fußraum. Der Fotograf hatte aber ein Herz für seine Modelle und legte öfter mal ein Pause ein. Sogar Jürgens Renault 16 fing an zu schwitzen und protestierte immer wieder lautstark mit seinem Kühlerventilator.
Schließlich wurden noch einige Dutzend Aufnahmen von den einzelnen Renault 16 in Fahrt gemacht, darunter auch dynamische Fotos in strammer Kurvenlage. Dazu mussten die R 16 (mehr oder weniger rasant) eine möglichst enge Kreisbahn fahren. Dies ist jedoch ganz und gar nicht der natürliche Bewegungsablauf für den Renault 16, für einen frühen Luxe noch viel weniger als für den TS. So kämpfte Jürgen mit der heftigen Seitenneigung, der zerrenden und sich verhärtenden Lenkung und den rutschenden Rädern, was in Verbindung mit dem nicht vorhandenen Seitenhalt der Sitzbank ganz schön anstrengend war. Da blieb Dietrich in seinem „sportlichen“ TS deutlich gelassener. Bevor sich aber unsere Testfahrer einen Drehwurm zuzogen, waren alle Aufnahmen im Kasten.
Herr Cremers erzählte noch, dass für einen fünfseitigen Artikel Hunderte von Fotos geschossen werden und die Wagen auf den Bildern oft noch nachträglich etwas „bearbeitet“ werden. So viele Zustand-1-Fahrzeuge wie in den Oldtimer-Zeitschriften zu sehen gibt es nämlich gar nicht. Beruhigend zu wissen…
Obwohl dieses Fotoshooting allen Beteiligten viel Spaß bereitet hatte, war man doch froh , als man den aufgeheizten Platz am frühen Abend verlassen konnte. Herr Cremers lud unsere tapferen Testfahrer anschließend noch zu einem kleinen Snack ein. Leider musste das Motor Klassik-Team wieder recht früh abreisen, da am nächsten Tag wieder einige Termine anstanden. Dietrich fuhr an diesem Abend noch zu Michael Staack nach Erftstadt und am nächsten Tag weiter nach Frankreich zum großen Treffen der Amicale 16.
So bedankten wir uns zum Abschied für einen wirklich außergewöhnlichen Tag. Auch Alf Cremers und Rossen Gargolov waren sehr zufrieden. Besonders die Location wollen sie sich gut merken. Mal sehen, wie lange sie noch existiert.
Jürgen Elsner