Aus der Schweizer AUTOMOBIL REVUE Nr. 22 vom 1. Juni 2005.
Von Jürg Wick
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Vor 40 Jahren bewies die Regie Nationale des Usines Renault mit dem neuen Typ 16 Innovationskraft, mit der nachgereichten Version TX gleich nochmals. In erster Linie bietet der Renault 16 TX Fahrvergnügen.

 

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Auch ein Vierteljahrhundert nach Produktionseinstellung kann man sich mit diesem Auto fahren lassen, ohne dass nostalgische Gefühle aufkommen, obwohl nur noch zirka 80 Sechzehner in der Schweiz zugelassen sind.

Falls Sie immer mal einen 16er fahren wollten, aber nie dazu kamen: sehr komfortabel, wirklich, da haben Sie echt etwas verpasst in Ihrem Leben. Elegant kaschiert er Kanaldeckel oder Schlimmeres. Heute und gestern findet sich kaum eine kommodere Federung. Der Radstand ist links und rechts nicht gleich lang, weil quer parallel liegende Drehestäbe montiert sind, welche über die halbe Autobreite hinausreichen.

Dazu passend ein weiches Gestühl, dank großzügiger Dimensionierung und muldenförmiger Ausformung ansatzweise stützend. Hilfreich für die Seitenführung: die kommode Mittelarmstütze, aufklappbar. Weil zwischen den vorderen Einzelsitzen ein schmales Verbindungspolster eingerichtet ist, könnte man den Renault 16 theoretisch dank Lenkradschaltung als Sechssitzer nutzen. So war er aber nie zugelassen.

Übersicht:
Konkurrenzfeld 1974

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Lenkradschaltung, 5 Gänge
Es ist aus heutiger Sicht nicht logisch, weshalb in den 60er-Jahren eine Euphorie zu Gunsten der Stockschaltung aufkam und die Kunden dafür teilweise sogar Aufpreise bezahlten (Fr. 130.- bei Mercedes). Denn im Sechzehner funktioniert der Hebel an der Lenksäule bestens, ohne dass sich die Schaltarbeit in den Vordergrund geschoben hat.
Der Punkt: Mit Stockschaltung ist das Sortieren der Gänge sportliche Betätigung, mit dem Hebel hinter dem Volant lockere Nebensächlichkeit mit drei bis vier vom Lenkradkranz gelösten Fingern, der Daumen bleibt an der Speiche hängen. Der Renault 16 war einer der letzten Vertreter mit Schalthebel am Lenkrad, und darüber hinaus, exklusiv dem TX vorbehalten, mit drei Schaltgassen für die Vorwärtsfahrt: Fünf Gänge schon 1974, dem Mainstream weit voraus.

Um auf die sportive Ader des Wagens zu stoßen, wie sie Renault dem 16 in der Version TS und später im TX implantiert haben will, muss man weite Kurvenradien suchen. In engen Bögen benimmt er sich etwas störrisch, schiebt auf den – auch für damalige Verhältnisse – schmalen Reifen arg über die Pneuflanken.

Schuld am nicht besonders handlichen Eindruck hat die Lenkung, welche ohne Servo auskommen muss, was generell so war in der Mittelklasse, aber zum TX aus heutiger Sicht nicht passen will. Denn der TX sozialisierte Bedienungserleichterungen, die bis dato Luxusschlitten und Amerikanern vorbehalten waren: elektrische Fensterheber zum Beispiel oder die Zentralverriegelung. Das gestattete Renault eine vergleichsweise stolze Preisposition (siehe Tabelle). Selbst Lederpolsterung und Klimaanlage standen in der Aufpreisliste, Dinge, welche frühestens zehn Jahre später richtig spruchreif wurden, in der Mittelklasse erst in den 90er-Jahren.

Zweite Revolution
Derart aufgerüstet, durchlief der 16 als TX eine zweite Revolution. Die erste provozierte Renault 1965 am Genfer Salon. «Röno» stellte den 16 vor – nach der Fregate, die 1960 eingestellt wurde, endlich wieder ein Mittelklassemodell. In der Zwischenzeit musste der französische Marktführer die Händler mit einer starken Bastion im Kleinwagensegment vertrösten, hatte mit R4 und R8/RI0 jenseits von 1100 Kubik rein gar nichts zu bieten.

Der R 16 kam mit einem 1565 cm3 großen Vierzylinder und Frontantrieb auf den Markt, nach dem R4 1961 und noch vor dem R6 1968 der zweite vorne angetriebene des Hauses und den Nerv vieler Savoyer treffend, die es leid waren, beim ersten Schneefall mit ihren heckgetriebenen Peugeots stecken zu bleiben. Citroen hatte schon früher durchgängig auf den Vorderradantrieb gesetzt, und darum war es autohistorisch logisch, dass die Franzosen die Revolution in der Autoindustrie inklusive fünfter
Tür einleiteten. .

Jedenfalls war es definitiv nicht der Golf, der 1974 vorgestellt wurde, eher schon der Simca 1100 (1967) oder die Primula von Autobianchi (1964). Der Sechzehner war der Durchbruch für, «Ziehen statt Schieben», europaweit, weil er dieses Konzept auch für Fahrzeuge oberhalb der Käfer- Klasse marktfähig machte, siehe Lancia Beta, siehe VW K70 alias NSU K70. Aber andere Hersteller beanspruchen nicht zu Unrecht das Prädikat, Vorreiter in Sachen Frontantrieb gewesen zu sein, denn Renault war zwar der erste Großserienhersteller, welcher vollständig auf Frontantrieb umstellte, aber das Billancourt-Konzept galt als Verlegenheitslösung. Die Motoren, ursprünglich für die Installation im Heck konstruiert, wurden ohne großes. Federlesen nach vorne transferiert: Otto in Längsrichtung hinter die Vorderachse, Getriebe davor angeflanscht, so blieb mechanisch alles wie gehabt, Platzeinsparungen schauten kaum heraus.

Das Layout hatte aber Vorteile: Renault-Mechaniker berichten davon, dass sie nach der Demontage des Reserverades Arbeiten im Motorraum auf der vorderen Quertraverse sitzend verrichten konnten.
Ziemlich neuartig war das geschlossene Kühlsystem mit elektrischem Ventilator. Quergestellte Antriebsaggregate gab es bei Renault erst später (Typ 14, 1976). Als die Regie nach 1,85 Millionen gebauten Exemplaren den Sechzehner 1979 ablöste, sah die Autowelt schon ganz anders aus.

Flexibler Fond
Auf 4,26 m Außenlänge bietet der 16er viel Raum und vor allem – das war neu – eine ungeheure Flexibilität. Die totale Verwandelbarkeit der Fondsitzbank war das Verblüffende, und sie ist es teilweise heute noch.

Denn wo, meine Damen und Herren, lässt sich die Lehne der Rücksitzbank so richten, dass sie als Verlängerung der Vordersitzlehne dienen und so einen bequemen Schlafplatz abgeben kann? Erst der Twingo 1993 hat die Idee der verschiebbaren Fondsitze
übernommen und im neuen, Jahrtausend viele mehr.
Im 16 gibt es sogar die Stellung Kleinkind: Rücksitze ganz nach vorne geschoben, so entsteht quer ein Bett, wo nichts auf den Wagenboden fallen kann. Einem Junior möchte man diese Konfiguration zwar nicht mehr unbedingt antun, aber als Hundebox ginge sie immer noch problemlos durch.

Der für den TS/TX auf 1647 cm3 vergrößerte Vierzylinder hängt schön am Pedal, die in V Form dengelnden Ventile haben wenig gegen hohe Drehzahlen einzuwenden. Die Elastizität ist aber auch nicht schlecht; eine flexible Maschine, bereits 1974 nahe an der heutigen Zeit. Kurt Erni, Renault Vertreter in der zweiten Generation im aargauischen Oberkulm, in dessen Kellergeschoss der abgebildete 16 TX den Lebensabend verkehrstauglich, aber abgemeldet verbringt, weiß von flüssigen Fahrten nach Monza zu berichten, wo ihm der unvergessene Herbert Müller (Stumpen-Herbie) aus dem benachbarten Reinach im AC Cobra lediglich eine Viertelstunde abgenommen haben soll.

Kein Leisetreter, aber angenehm im Klang. Sehr effiziente Lüftung, die Öffnungen reichen über die ganze Armaturenbrettbreite. Die Tasten für die elektrischen Fensterheber sind dort mittig installiert; so spart man Kabelmeter, und der Schalter für das rechte Fenster muss nicht zweifach vorhanden sein. Herrliche Übersicht, man kann vom Fahrersitz aus sehen, wo das Auto vorne beginnt. Espace-Fahrer wissen, was gemeint ist.

Nach hinten reicht der Blick bis zur Heckwischerverankerung, wo das Auto auch schon fast wieder aufhört. Und jetzt schauen Sie sich bitte noch den Heckflügel an! Gemäß Renault soll er die Aerodynamik des Wagens verbessern. Als weitere TX – Besonderheit sind die vier Einzelscheinwerfer mit Halogenbestückung zu nennen. Und nochmals: wunderbarer Federungskomfort, so leider gar nicht gefragt in unseren Tagen. Bis das Infrarot des Temporadars blitzt.

Quellenangabe: Schweizer AUTOMOBIL REVUE Nr. 22 vom 1. Juni 2005. Autor: Jürg Wick.