Wie ich zu meinem R16 kam.
Der Hund auf dem Bild ist Schuld! (Ist er nicht süß? Es bricht mir immer noch das Herz wenn ich mir das Foto ansehe.)
Er ist schuld, dass ich wieder R16 fahr. Ich fang mal von vorne an:
Warum R16?
Groß geworden bin ich in ihm. Ich sollt vielleicht lieber sagen lang. 192cm, das ist doch schon was.
In den Siebzigern im Winter nach Österreich, einmal nach Italien in den Sechzigern und unzählige Male Bergen am See (HALLLLOO Ihr super Aktiven da drüben). Ganz abgesehen von den unzähligen, zügigen Kilometern in Deutschland. Ich habe immer die erhöhte Sitzposition auf den Rücksitzen genossen, diesen Überblick, schon als Kind. Meiner Schwester hat er nicht wirklich geholfen, dieses Gefühl im Magen loszuwerden, was sich durch die weiche Federung und der damit verbundenen Seitenneigung regelmäßig bei ihr einstellte. Einmal hat sie es sogar bis an die Windschutzscheibe geschafft.
Kurzum: meine Eltern hatten drei R16s. Nach dem obligatorischen Käfer (Unfall) und zwei kurzlebigen R10s. Eigentlich war ich schon als Kind infiziert. Er war für mich der Inbegriff des modernen Autos. Schön und vielseitig. Wo gab es schon die fünfte Tür in der Mittelklasse außer beim Kombi? Oder diese Sitzverstellmöglichkeiten? Wir haben zu viert darin übernachtet! Praktisch und so elegant (das empfand ich schon damals so). Man beachte wie die Türgriffe in die Karosserie integriert sind. Und wie die ruhige Fläche hinter dem dritten Seitenfenster, mit dieser Kraft in der konvexen Wölbung über alle Fenster strahlt um von einer Chromleiste gekrönt zu werden. Oder diese harmonische Zusammenführung der hinteren Linie des Frontscheibenrahmens in den konkaven Falz. Überhaupt der konkave Falz: wie er vorn aus dem Konvex des Kotflügels entspringt und nach hinten gleitet um im Nichts zu enden, alle Linien vereinigend. Funktionale Blechverstärkungen, wie im Dach, werden in ihrer Fortsetzung in den Schwüngen der Motorhaube, Schwingen gleich, überhöht. Diese Spannungen aus gewölbtem Blech zu fast glatten Flächen. Wölbungen jenseits allem Barock. Falzungen jenseits jeder oberflächigen Solidität. Chromeinsatz jenseits allem Prestige. Man beachte nur diese Souveränität der wechselnden Radien des vorderen Radauschnitts. Oder wie sich unterhalb der Heckscheibe… .
Ach, ich wollt doch eigentlich erzählen wie ich zu meinem R16 kam.
Mein erstes Auto war NATÜRLICH ein … (richtig geraten!). Wir haben zwei wirklich bewegte Jahre miteinander verbracht. Warum nur zwei? Wir schreiben die 80er.. Ich sag nur : Bodenblech, hintere Achsaufnahme und der von oben durchgerostete Tank (die Benzindämpfe und meine Kettenrauch -angewohnheit machten jede Fahrt zur Reise auf dem Pulverfass). Es folgten diverse geerbte Autos (der R20 war übrigens noch schlimmer) und dann die Seriöswerdung.
Ein Kleinstwagen in gutem Zustand kam vors Haus. Dieser hat mich durch halb Europa getragen (wir nähern uns geografisch dem Hund) und musste gleichzeitig als „Wohnmobil“ herhalten. So auch bei einem 6 wöchigem Griechenland-Urlaub (jetzt denkt jeder: ja diese Lehrer haben es gut. ICH BIN KEIN LEHRER. Ich hab mir dieses zugegebenermaßen luxuriösen Zeitraum mit Überstunden hart erarbeitet!)
In Loutraki geschah es (nein nicht die traumatische Erfahrung mit dem Hund). Ich stand vor einem R16 TL. Selten genug, auch in Griechenland. Ich hab mich völlig relaxt der Schönheit des Wagens hingegeben.
Die handflächengroßen Karosseriebelüftungslöcher, liebevoll in rostbraun eingefasst, die Drei- bis Vierfarbenlackierung, die kaltverformten Bleche und nicht mal die Schaumstoffflocken – zusatzaustattung des Innenraums konnte mich, in meiner Urlaubsstimmung, von der tiefgreifenden Erkenntnis, oder besser Erinnerung, fernhalten, dass das Fahren einfach immer richtig Spaß gemacht hat. Einher ging der Gedanke: “Vielleicht hast du ja genug Geld für zwei Autos? Muss ja kein guter Zustand sein. Hauptsache er fährt. Und wenn er stehen bleibt hast du halt Pech gehabt. Ist ja nur für die Kurzstrecke. Für lange Strecken hast du ja deinen Kleinen.“
Nun gut, die Reise nahm ihren Lauf und führte mich weiter östlich auch nach Leptokaria (würd ich auch nicht kennen, wenn ich nicht per Zufall da gewesen wäre, und nicht der Hund…)
Nachdem ich einen Salat in dem noch letzten geöffneten Restaurant genossen habe (es war schon Oktober, aber ein goldener, wie man sagt), hab ich den Nachmittag an einem „einsamen“ Strand verbracht. Zuerst allein. Aber nicht lange. Ein streunender Hund tauchte auf (na endlich). Er gesellte sich freudig zu mir. Legte sich unweit meines Handtuchs in den Sand. Stand auf um mit den Wellen zu spielen, schlich um mein Auto als ich mich umzog, schaute mir mit großen, braunen Augen zu als ich duschte, und natürlich ließ er sich gerne kraulen. Auf dem Rücken, hinter den Ohren und am liebsten unter der Schnauze. Da hatte er besonders weiches Fell. Ich hab mein Auto weiter vorgefahren, ahnend, dass er nicht mehr von meiner Stelle weichen würde und ich langsam zu weich werde. Denn butterweich war ich bereits. Der Hund lief die zweihundert Meter und legte sich wie selbstverständlich in den Schatten meines Wagens.
Streichfest hatte ich schon hinter mir. Ich gab ihm was von meinem Essen (ich weiß, dass hätte ich nicht tun sollen). Er wich keinen Meter mehr von mir (deswegen sind die Fotos auch so unscharf). Die Ecken waren schon weggeschmolzen und erste Pfützen bilden sich zu meinen Füssen. Was tun? In einer Mietwohnung zu leben in der Hunde verboten sind und zusätzlich Ärger mit dem Vermieter zu haben, sind keine guten Voraussetzungen einen Hund aus Griechenland zu importieren. Wie bringe ich meinem Chefs bei, dass ab jetzt immer ein Hund an meiner Seite im Büro und bei allen Besprechungen auftaucht? Und einen nicht erzogenen Hund ohne Impfung und Zeugnis über mindestens fünf Grenzen im Kleinstwagen schmuggeln, wie soll das funktionieren? Ich blieb so hart wie es ging. Irgendwo gibt es doch noch dieses Gefrierfach in mir. Ich hab ihn hinterhältig mit Futter weggelockt, bin schnell in den Wagen gesprungen und losgefahren.
Der Blick in den Rückspiegel hat mich dahin schmelzen lassen. Der Hund lief dem Wagen hinterher. Ich war zerronnen. Nein noch nicht. Er muss dir schon bis hinter die nächste Kurve nachlaufen. Erst dann nimmst du ihn mit!! Das war zu weit für den kleinen Hund!! Traurig aber wahr, ich hab Leptokaria ohne ihn verlassen. Aber er hat mich in den nächsten Tagen verfolgt.
Er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und erstaunlicherweise taten sich für viele Sachzwänge Lösungen auf (wenn auch teilweise sehr abwegige). Weichgedacht und -geträumt trat ich meine Rückfahrt an (natürlich viel früher als geplant). Ich hielt wieder an dem „einsamen“ Strand um dort ein ganze Nacht zu verbringen.
Wäre der Kleine aufgetaucht, er hätte mitgemusst. Ob er wollte oder nicht. Jetzt fragt sich der geneigte Leser natürlich: Was hat dieser Hund, so süß er ja auch sein mag, aus Griechenland im R16 Journal zu suchen? Ganz einfach; Die Erfahrung einer verpassten Chance wollt ich nicht noch mal machen. Mehr Spontanität war das Mitbringsel aus Griechenland.
So bin ich der anderen tiefen Erkenntnis des Urlaubs, R16 fahren zu wollen, gefolgt und hab direkt das Internet durchstöbert nach R16s. Da hat mich meiner auf Mobile.de angelacht. (Renault) Showroom Condition. TX in teilrestauriertem Zustand, mit Schiebedach, in Silber, für viel, viel Geld (nicht, dass das Auto es nicht wert wäre, auch Peanuts im Vergleich zu einem Neuwagen, aber ich wollt doch nur fahren!).
Ich hab mich auf den Weg zu meinem Zukünftigen gemacht. Hab ihn mir von Außen angesehen, einige Beulen im Chrom entdeckt, hab ihn mir von Innen angesehen, einige Wellen im Armaturenbrett entdeckt, hab ihn mir von unten angesehen, einige Stellen mit zu viel Unterbodenschutz entdeckt und hab ihn gekauft.
Ist das spontan? Ich hatte ihn noch nicht mal probegefahren… .
P.S. R16 fahren macht schon sehr viel Spaß. Aber jetzt wo ich mir die Bilder aus Griechenland noch mal ansehe, … er war schon sehr süß…
Matthias Bornscheuer, Juli 2004