Meine Renault-Geschichte
…und wie ich zum R 16 kam
Eigentlich kam der R16 zu mir.
Wie bei vielen R16 Liebhabern war es auch bei mir „La voiture de mon père“. 1968 brauchte mein Vater ein Auto mit Ladekapazität, wollte aber keinen Kombi, so kam der erste 16er, ein GL, ins Haus. Er war hellblau und hatte für einen Vielfahrer zu wenig Leistung. Deshalb kam ´69 ein beiger TS, welcher leider im Urlaub in Jugoslawien an einer Felswand hängen blieb. So folgte darauf ein 70er TS in derselben Farbe, aber mit schwarzer Kunstlederpolsterung. Diese Sitze haben mir im Sommer mehrmals den A…. verbrannt, dafür waren sie resistenter gegen Zigarettenglut.
Darauf folgte dann 1972 ein metallicgrüner TS mit Kopfstützen und Autoradio. Wie immer nach 80 – 90 Tausend Kilometern, musste 1975 wieder ein neuer her und ich wollte, dass es ein TX ist. Das wäre mein Traum gewesen, doch mein Vater war nicht richtig begeistert. Der Wagen war im zu teuer, der fünfte Gang hätte nie soviel Benzin gespart wie der Mehrpreis vom TS zum TX ausmachte, den Sinn von elektrischen Scheibenhebern vorne hat er auch nicht eingesehen, diese wollte er lieber an den hinteren Seitenscheiben, Zentraltürverriegelung war ein Gimmick und sowieso nur dazu da, um kaputt zu gehen und die 10 PS mehr waren nicht so deutlich zu spüren wie die Steigerung seinerzeit vom GL zum TS.
Also wurde es wieder ein TS, ein giftgrüner mit dem neuen Plastikgrill. 1977 kam dann doch noch ein hellblauer TX, da es in der Zwischenzeit keine TS mehr gab und der schwerere R20 mit demselben Motor doch deutlich untermotorisiert war. In dieser Zeit hat sich mein Vater dann schwer an den fünften Gang gewöhnt und hat erst auf den R20 TS gewechselt, als es diesen dann auch mit Fünfgang-Getriebe gab. Der 20er war ja schon OK, und da ich auch grösser wurde, hatte ich auch mehr Platz für meine Beine hinten. Aber eine spezielle Konstruktion, wie der 16er, war er nicht mehr. Da war mir schon klar, dass wenn ich dann einmal Autofahren darf, es ein 16er sein muss und zwar ein TX.
Angefangen habe ich dann zwar mit einem kanariengelben R 12 TS, doch schon drei Monate später kam mein Freund Markus mit einem TX angefahren. Er fuhr „mein“ Auto. Umso schlimmer, da er kein R16 Freak war wie ich! Wir waren damals beide in der Ausbildung, er als Automechaniker ich als Elektroniker und wir haben unseren Lehrlingslohn immer wieder mal durch Kauf, Instandstellung und Verkauf von Occasionen aufgebessert. Drei Monate später und nach viel Betteln war er dann mir.
Mein Traum: 74er, blau metallic, mit elektrischem Schiebedach und allen Goodies, ausser Klima und Leder. Ein Rennwagen war er auch, jedenfalls in meiner Hand. Mancher, vielleicht nicht so geübte GTI Fahrer musste sich über kurvenreiche Landstrassen doch sehr, sehr beeilen, um uns wenigstens ein wenig auf Distanz zu halten. Das war 1982 und damals hatte ein Golf GTI auch „nur“ 110 PS (gut, aber auch 200 kg weniger). Es hat einfach unheimlich Spass gemacht (manchmal heute noch), spektakulär schräg in den Kurven zu hängen, und wie Ihr ja alle wisst, will der R16 nicht am Lenkrad gerissen, sondern schön sanft in die Federung gelegt werden und dann kommt man auf ganz flotte Kurvengeschwindigkeiten.
Diese Fahrweise hat natürlich ihre Spuren hinterlassen, so musste ich vorne relativ häufig die Reifen wechseln, auch weil ich damals nur Geld für gebrauchte hatte. Auch am Motor kam das Nageln der Ventile, verursacht durch eine eingelaufene Nockenwelle, immer häufiger.
Schliesslich musste ich alle 500 Kilometer das Ventil am dritten Auslass einstellen. Um mir das zu vereinfachen, habe ich Löcher in den Ventildeckel gebohrt, wo ich mit Einstellschlüssel und Lehre zum Einstellen durchgekommen bin und habe diese dann mit Gummistopfen wieder verschlossen. So hat es nicht lange gedauert, und ich musste nach einem kurzen Vollgas-Ritt nach Zürich den Motor wechseln. Damit hatte ich gerechnet und der Ersatz lag bereits in der Garage. Nun hatte „mon Bleu“ endlich auch ein gut klingendes Herz und dieses habe ich dann auch nicht mehr so arg gequält.
Der R16 war ja immer ein schräger Typ, aber in den Achtzigern war er für die Verständnislosen einfach nur ein altes Auto. Auch bei den Mädchen konnte ich erst punkten, als ich Ihnen das elektrische Schiebedach unter dem Sternenhimmel vorführte. Da die Batterie diesem Hin und Her nicht immer gewachsen war, lief der Wagen dann nicht mehr an und man konnte dann auf die vorzüglichen Liegesitze hinweisen. Bei französischen Mädchen war das einfacher, ich kann mich noch gut an den entzückten Ausruf einer französischen Ferienbekanntschaft in der Camargue erinnern: „Oh la la, une seize!“
Aber zurück zum Thema. Ein knappes Jahr hielt diese Liebe (die zum R16 natürlich), aber ein hängen gebliebener Schwimmer im Vergaser führte dazu, dass Benzin überlief und sich am heissen Motor entzündete. So lösen sich Träume und Lehrlingslöhne in Feuer und Rauch auf! Das war 1983 und meine finanziellen Verhältnisse und das langsame Verschwinden des R16 vom Gebrauchtwagenhandel machten es mir unmöglich für adäquaten Ersatz zu sorgen. Die Liebe, die Bewunderung und der Traum aber blieben, und 1991 entdeckte ich ein Inserat für einen 79er TX mit 78.000 km für nur 1500 Franken. Ich bin dann mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau hingefahren und habe mir das silbrige Auto angesehen. Ausser TX war nicht viel Gemeinsames mit meinem Traum, denn er hatte keine elektrischen Scheiben und keine Zentraltürverriegelung. Dieses Zubehör war in der Schweiz an den 78er und 79er Modellen nicht mehr serienmässig, ja nicht einmal als Option erhältlich. Chrom an den Radläufen fehlte ebenso wie das von mir so heiss geliebte elektrische Schiebedach.
Nach einer Probefahrt war ich aber wieder voll drauf und so kam es, dass ich den TX auf 1000 Franken runterhandelte (nimm’s oder lass es, den kauft sonst eh keiner) und gleich mitnahm. Der Wagen war aus erster Hand, technisch einwandfrei, innen fast neuwertig und auch optisch in einem guten Zustand. Von seinem Vorbesitzer wurde er immer schön gewachst und auch immer wieder mit Rostschutz behandelt. Leider war aber das Tectyl nicht überall gleich gut aufgetragen und dort wo es aufblätterte, konnte Wasser rein, aber nicht raus. Ich kannte schon ein paar versteckte Roststellen und fünf Jahre später fiel dies auch dem Prüfer bei der Motorfahrzeugkontrolle auf. Technische Mängel hiess es und der Stempel wurde uns verweigert. Zu jener Zeit war ich gerade Vater geworden und hatte eben erst die Restaurierung eines Cadillac de Ville Cabriolet hinter mir. So hatte ich wieder kein Geld und auch keine Zeit etwas Richtiges zu machen.
So stand er nun halt einfach in der Garage, und damit die Technik nicht zu sehr leidet, wurde er jedes Jahr ein- zweimal mit dem Händlerschild von meinem Freund Markus bewegt. Ja, genau dieser, von dem ich meinen ersten 16er hatte. Wir sind heute noch Freunde und er hat eine eigene Garage. Ich habe die Ausfahrten an diesen Wochenenden immer genossen, das Auto gefühlt und mit Ihm gesprochen: „Bald verarzte ich dich, damit Du wieder auf die Strasse kommst.“ Jahr für Jahr.
Mit dem Aufkommen des Internets habe ich dann festgestellt, dass ich ja gar nicht der Einzige mit der Krankheit R16 bin. Nein, es gibt sogar welche, die sind noch schlimmer dran. Denen genügt einer nicht, die haben sogar zwei oder mehr. Das tat gut, aber auch weh. Alle konnten frei fahren, nur wir nicht. Im Jahr 2003 war es dann soweit. Auf meiner jährlichen Ausfahrt im Frühling habe ich dann beschlossen, den Wagen gar nicht mehr einzustellen, sondern habe gleich damit begonnen ihn zu zerlegen. So war ich gezwungen etwas zu tun, Restaurieren oder Verkaufen. Also weg mit den Kotflügeln, runter mit dem Tectyl, kratzen, bohren, rumstochern, sehen, ob es sich lohnt. Es gab zwei, drei Mal Überraschungen, z. B. die Aufhängung der Schwingen: „Nein, so nicht“! Ab ins Internet, Motivation tanken. Die anderen R16-Verrückten haben’s auch gemacht, also weiter! Dann kamen die bösen Löcher vorne an den Längsträgern zum Vorschein. Also wieder: Ab ins Internet, Motivation tanken. Da ich nicht mit der Schweissanlage umgehen kann und auch nicht wirklich Zeit hatte, habe ich einen Carosserie-Spengler gesucht, der den R16 noch kannte und habe Ihn um eine Offerte gebeten. Die Kosten haben sich in vernünftigem Rahmen bewegt, also los.
Doch dann hat der Wahnsinn angefangen mich zu reiten. Da bietet im Internet ein Philipp Gräfe ein originales Schiebedach an. Wow, das wäre doch mein Traum, aber kann man das in einem vernünftigen Kostenrahmen machen? Meine Frau überredete mich dann es zu tun, nach dem Motto: Jetzt oder nie mehr.
Der Spengler staunte nicht schlecht, als ich mit dem Dach angekommen bin, aber in der Zwischenzeit hatte er auch gesehen, dass mein 16er eigentlich gar nicht in einem schlechten Zustand war. Geradezu begeistert war er von der gesunden Substanz und hat dann auch die neuen Türbleche verzinnt und nicht wie vorher abgesprochen geklebt, so wie es heute aus Kostengründen teilweise üblich ist. Ja, aber wenn ich schon das Dach raustrenne, kann ich ja auch gleich eine komplette Lackierung machen, das heisst eine andere Farbe innen und aussen. Das Silbermetallic hat mir nie so recht gefallen, weil der Kontrast zum Chrom fehlte. Apropos Chrom: Dann suchte und fand ich auch den für den Radlauf. Also Farbe auch neu, innen und aussen, ein beige metallic hat es mir angetan, das passt sowohl zum roten Interieur wie auch zum – jetzt neu – braunen Dachhimmel. Dunlop-Alufelgen habe ich auch noch gefunden, alt zwar, aber mit Geduld und neuer Farbe kann man vieles machen. Elektrische Fensterheber, so was gehört zum TX, also suchen, finden, kaufen. Einzig eine Zentraltürverriegelung hat er noch nicht. Kosten immer noch unter Kontrolle? Na ja, in den wenigsten Fällen lohnt sich die Restauration eines Youngtimers finanziell, aber ich wollte ja schon seit meiner Kindheit einen nigelnagelneuen TX, und jetzt hab ich einen. Seit Frühjahr 2004 fahren wir wieder, und neben dem Fahrkomfort erstaunt mich immer wieder der auch für heutige Verhältnisse immer noch niedrige Durchschnittsverbrauch von 7,8 l auf 100 km, obwohl er nicht explizit im Sparmodus gefahren wird. Gerade in der aktuellen Zeit ist dies nicht zu vernachlässigen, zeigt der R16 damit doch, dass er in der Energieeffizienz fast 50% besser dasteht als ein Käfer aus derselben Zeit .
Roland Bächli, Mai 2007