Wie Dietrich Wenner zu seinem R16 kam

wenner1Zu meinem ersten R16 kam ich eigentlich per Zufall. Ein Faible für alte Autos war bei mir immer schon vorhanden, auch zeugte meine Fahrzeugwahl in früheren Jahren bereits von einer gewissen Individualität (Fiat 500, Fiat 600, Käfer Cabrio, Mercedes Strich Acht, B-Kadett, Daf 66). Eine Affinität zur Marke Renault im Allgemeinen und zum R16 im Speziellen, das muss ich zugeben, bestand bei mir bis dato aber nicht.

Im Juli 2001 wurde der Entschluss zum Kauf eines Oldtimers gefasst. Der Wagen sollte bezahlbar sein, möglichst eine H-Zulassung haben und vor allem voll alltagstauglich sein.
Beim Durchblättern der entsprechenden Anzeigen stieß ich plötzlich auf eine Annonce, in der ein R16 TX, Baujahr 1976, zu verkaufen war. Praktischerweise lag der Standort des Fahrzeuges direkt in Paderborn, sonst hätte ich den R16 womöglich gar nicht in meine Kaufentscheidung einbezogen. So beschloss ich, mir den Wagen näher anzuschauen.

wenner4Der Verkäufer dieses Wagens war übrigens Daniel Montoya, nicht nur im Club bekannt für seine Versiertheit bei der Restauration von Oldtimern meist französischer Provenienz. Obwohl ich noch nie Kontakt zu einem R16 hatte, begeisterte mich das Konzept des Fahrzeugs sofort. Das außergewöhnliche Design, der Fahrkomfort, die leichtgängige Lenkradschaltung und die hohe Alltagstauglichkeit gepaart mit der einmaligen Variabilität — der R16 wäre der passende Oldtimer! Leider passte der geforderte Kaufpreis nicht in mein damaliges Budget, so dass ich schweren Herzens von einem Kauf absah. Dennoch hatte dieser Besuch äußerst positive Seiten: Zum einen hatte mich nun ein Meilenstein der Automobilgeschichte in seinen Bann gezogen, zum anderen war das erste Treffen mit Daniel Montoya der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Wir haben bis heute eine gemeinsame Halle, tauschen uns regelmäßig aus, besuchen Treffen und Messen und helfen auch Clubkollegen bei der Erwerbung bzw. dem Erhalt ihrer Fahrzeuge.

wenner3Aber wie gesagt sprengte der Preis für diesen R16 mein Budget, und so kam ich erst ein bisschen später zu meinem ersten R16. Auch dieser stand ganz in der Nähe: Ein schilfgrüner 74er TS mit einer gehobenen Ausstattung auf TX-Niveau (Leder, Fensterheber u. a.). Als Goodie gab es noch einen 7,5 Tonner voll mit Ersatzteilen (nun, den LKW gab es natürlich nicht dazu!). Für 5000 Mark ein faires Angebot, das ich auch annahm. Es zeigte sich jedoch, dass dieser Wagen doch noch eine ganze Menge Arbeit benötigte, die ich zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht bewältigen konnte. Daher verkaufte ich den R16 wieder am 14.10.2001 auf der Veterama, inklusive der Lastwagenladung Ersatzteile. Dieser Verkauf war den Zeitschriften Oldtimer Markt und Motor Klassik (s.o.) sogar eine Erwähnung wert. Die Teile hatte übrigens mein Freund Matthias (er fährt privat einen etwas getunten Fiat 600 mit ca. 60 PS) nach Süddeutschland überführt. Ich wollte die Miene des Käufers bei der Anlieferung einfach nicht sehen — was nicht heißt, dass ich ihn übers Ohr gehauen hätte. Aber ein mobiles Ersatzteillager mit allen möglichen Dingen bekommt man eben nicht täglich vor die Tür gestellt. Ich habe den Käufer übrigens ein paar Jahre später wieder getroffen. Er war nicht nachtragend.
Wie man als infizierter R16-Fahrer leicht nachvollziehen kann, stellen Mercedes, Kadett und Daf nicht wirklich einen adäquaten Ersatz für einen R16 dar. Die Sehnsucht nach der französischen Sänfte trieb mich alsbald wieder um.

wenner5Daniel machte mich Ende Juli 2002 auf einen österreichischen R16 TS aufmerksam. Aufgrund der großen Entfernung blieben zunächst nur die Kontaktaufnahme und Beschreibungen am Telefon. Der Verkäufer schien bei unseren zahlreichen Telefonaten inzwischen recht genervt, und nachdem wir uns endlich auf einen Preis geeinigt hatten, schob er noch nach: „Ich erstatte Ihnen sämtliche Fahrtkosten, wenn Sie auch nur eine Roststelle finden!“ Da waren die Erwartungen natürlich hoch.
Glücklicherweise begleitete mich Daniel auf die lange Reise. Unsere Freundin Kolli brachte uns zum Bahnhof. Nach langer Fahrt Umsteigen in Salzburg und weiter nach Maria Pfarr. Nachdem wir dachten, weiter geht es nicht in die Pampa, wurden wir am Bahnhof abgeholt und tatsächlich noch eine dreiviertel Stunde quer durch die Botanik kutschiert. Das musste sich doch lohnen!

wenner6Schien es auf den ersten Blick aber nicht: Die großflächigen Klarlackschäden auf dem Dach und der Motorhaube sorgten bei mir für nachhaltige Ernüchterung. Nur Daniel erfasste den Wert dieses ansonsten makellosen frühen Exemplars sofort und zischte mir altem Nörgler zu: „Wenn Du jetzt nicht kaufst, tu ich es!“

Die Eckdaten dieses außergewöhnlichen TS: 75.000 Kilometer, ein Vorbesitzer (!), kein Rost, innen wie neu, unrestaurierter Zustand, mit original Schlüsselanhänger, Brief und Aufkleber vom Wiener Autohaus; Auslieferung an Herrn Wilhelm Sboczek am 4. Juli 1968. Also schnell kaufen und rote Nummer dran!

Die Rückfahrt blieb trotz des hervorragenden Zustandes nicht ohne Zwischenfall: Nachts blieb der R16 auf der Autobahn bei München das erste Mal stehen. Daniels Diagnose: Zugesetzter Kraftstofffilter. Die Ursache war der alte Korkschwimmer im Tank, der sich mit den Jahren auflöste und seine krümeligen Bestandteile kontinuierlich an den Kraftstoff abgab. So haben wir erst mal einer Zehnersatz Filter an der Tankstelle besorgt und fuhren unter achtmaligem (!) Tausch des Filters wacker weiter, zunächst jedoch nach Hannover, wo Daniel noch schnell eine ID/DS 19 erwerben sollte. Die Heimfahrt im Konvoi nach Paderborn hätte dann beinahe ein schlimmes Ende genommen: Auf einer Landstraße zwischen Hannover und Paderborn blieb der R16 wieder liegen. Diesmal nicht wegen des Filters, sondern einfach weil der Tank leer war — bis auf die Schwimmerkrümel wahrscheinlich. Aber eine nicht einsehbare Kurve war der denkbar schlechteste Ort für eine Panne. Glücklicherweise ging alles gut und nach einem Schluck Benzin konnten wir unsere Fahrt fortsetzen.

wenner7Da sich das Fahrzeug bis auf die Lackmängel in einem exzellentem Zustand befand, rüstete ich nur Innenkotflügel von Lokari und eine Anhängerkupplung nach und ließ Motorhaube und Dach neu lackieren. Das war‘s aber auch schon.
Der braunmetallicfarbene 68er TS bereitete nicht nur mir lange Freude, auch andere Clubmitglieder (z. B. Jens…) träumten des öfteren von diesem Wagen. Die Farbe steht dem R16 eben ausgesprochen gut! Und er war nicht nur auf vielen Clubausfahrten dabei, wie in Bad Berleburg und im Elsass, sondern stand sogar zusammen mit Jürgens Urtyp auf der Techno Classica und war Gegenstand des Motor Klassik-Fahrberichts. Redakteur Alf Cremers zeigte sich besonders von dem makellosen Interieur begeistert.

Aber wie es so ist im Leben, irgendwann sucht man wieder eine neue Herausforderung. Und da der erzielbare Preis für einen frühen TS mittlerweile rapide gestiegen war, entschloss ich mich, den Wagen für einen guten Preis zu verkaufen. Auf einer „Einkaufsreise“ mit Daniel durch Holland entdeckte ich dann bei Alfred van der Gaast in einer verstaubten Ecke einen US-Renault 16 TL in sandbeige. Während der Wagen technisch fit war, zeigte sich sein Äußeres doch sehr mitgenommen. Aber ich konnte den „sealed-beam“-Scheinwerfern, der Klimaanlage, der Automatik, dem Schiebedach und der abgefahrenen Farbe einfach nicht widerstehen, und so tauschte ich meinen TS, den Alfred als Ausstellungsstück behalten will, gegen den US-TL mit einem guten Wertausgleich. Die Reaktionen meiner lieben Mitmenschen und Clubkollegen waren – nennen wir es uneinheitlich. Aber „Dietrichs Ami-Möhre“ soll erst mal so bleiben, wie sie ist. Momentan schwanke ich, ob ich das Äußere für die Zukunft konservieren oder doch lieber in eine Neulackierung investieren soll.
Aber der Rat-Look hat auch sein speziellen Reize, und solange der Wagen zuverlässig fährt, kann ich wenner8auch über alle Kommentare hinwegsehen. In den USA ist dieser Look im Übrigen total angesagt. Nun ja, vielleicht nicht bei einem Franzosen.
Dietrich Wenner , März 2007